Ursprung der Gestalttherapie
Die Gestalttherapie wurde ab Anfang der 40er Jahre von dem deutschen Ehepaar Fritz und Lore Perls, beide Psychoanalytiker entwickelt. Zusammen mit dem Soziologen formulierten Sie die Gestalttherapie 1951 in Amerika erstmals. Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der neuen Therapie waren unter anderem Isadore From, James Simkon, Erving und Miriam Polste rund andere.
Der Begriff der “Gestalt”-Therapie ist an die Gestaltpsychologie angelehnt, eine damals einflussreiche Richtung der Psychologie, die Gestalt, Ganzheit und Ordnung als primäre Einheiten von Erleben und Verhalten versteht (eine “Gestalt” ist mehr und etwas anderes als die Summe ihrer Teile). Durch die mit der Gestaltpsychologie verbundene Feldtheorie wurde der Lebensraum , der die Person und ihre Umwelt umfasst, als ein “Feld” gesehen und in die Therapie miteinbezogen, als ein einheitliches, untrennbares Ganzes, in dem alles in Bewegung (im Prozess) und in Beziehung zueinander steht.
Ganzheitlichkeit
Vor diesen Hintergrund ist die Gestalttherapie ein ganzheitliches Therapieverfahren, das die körperlich-seelisch-geistige Integration der Person in seiner Umwelt zum Ziel hat. In der gestalttherapeutischen Arbeit interessiere ich mich für die Manifestationen eines „Themas“ auf allen Ebenen des Erlebens und des Ausdrucks: Was denke ich dazu, welche Gefühle habe ich dazu und wie sind meine Körperwahrnehmungen. Zugang schaffe ich hierbei über Sprache, Stimme und Bewegung.
Umso mehr ich bin , desto weniger muss ich sein – Arbeiten im Hier und Jetzt
Im Kontakt im Hier-und-Jetzt zwischen Therapeut/in und Klient/in werden die dysfunktionalen Erlebnis-, Einstellungs- und Verhaltensweisen in Form von gestörten Kontaktfunktionen deutlich. Diese werden in der Gestalttherapie positiv als kreative Anpassungen des menschlichen Organismus an widrige Umstände in seinem früheren oder jetzigen Umfeld verstanden, die sich letztlich in Persönlichkeitsstörungen oder spezifischen Symptomen äußern. Auch defizitäre innere Stützfunktionen können sich in Ängsten und leidvollen Anpassungsmustern manifestieren.
Die gestalttherapeutische Arbeit ist existenzphilosophisch ausgerichtet, tiefenpsychologisch fundiert und in ihrem methodischen Vorgehen phänomenologisch, dialogisch und experimentell. Das Explorieren der unmittelbaren gegenwärtigen Erfahrung der Person, ihrer Phänomenologie, ist der Ausgangspunkt der Therapie. Dabei vertraue ich als Gestalttherapeutin der natürlichen organismischen Selbstregulierung: nur das wird in den Vordergrund kommen was der Organismus momentan verkraften und verarbeiten kann.
Das Ich wird wird erst am Du zum Ich – Therapie auf Augenhöhe
Eine dialogische Therapeut-Klient-Beziehung im Sinne Martin Bubers, eine Beziehung, die wertschätzt, was “zwischen” Therapeut/in und Klient/in geschieht und auftaucht und auf verhaltensmodifizierende Manipulationen von Seiten des Therapeuten verzichtet, ist die Grundlage einer angestrebten “Heilung durch Begegnung” in der Gestalttherapie. Aus meiner Haltung als Gestalttherapeutin heraus, arbeite ich immer mit dem was ist und versuche nicht, etwas zu „erreichen“. So kann sich der Klient in seinem ureigenen Sein entfalten und weiterentwickeln ohne von mir als Therapeutin in eine Richtung gedrängt zu werden.
Auch die Forschung hat herausgefunden: …“etwa 85 Prozent der Wirkung von Psychotherapie sind auf Beziehungsvariablen zurückzuführen und nur 15 % der Technik geschuldet.“(Lambert u. DeJulio 1983)
Bewusstheit per se als Heilung
Auf dieser Basis kann das Explorieren der Phänomenologie der Person für sie selbst zu einer gesteigerten Bewusstheit (awareness) darüber führen, wie sie ihre Anpassungsmuster erschafft und aufrechterhält, in-der-Welt-ist und wie sie sich oft selbst im Wege steht. Dadurch gewinnt sie die Fähigkeit zurück, für ihre Existenz, ihr eigenes Leben Verantwortung zu übernehmen und gewinnt so wieder Freiheit durch Wahlmöglichkeiten. Fritz Perls sagte einmal, dass er Bewusstheit per se schon als heilend ansieht.
Durch aktives Experimentieren kann die Bewusstheit der Person über die Gegebenheiten ihrer Situation weiter gesteigert werden, ebenso können im geschützten therapeutischen Rahmen ausgewogene Risiken eingegangen werden, neue Verhaltensweisen und Reaktionen auszuprobieren, die das Selbsterleben und das Verhaltensrepertoire, sprich: die Ich-Grenze der Person erweitern können. Neben typischen gestalttherapeutischen Techniken hierzu sind dem Therapeuten/der Therapeutin im Erfinden von Experimenten keine Grenzen gesetzt.
Was ist darf sein, was sein darf, darf sich verändern
Veränderung “geschieht” paradoxerweise, wenn man sich voll dem stellt, wie man gegenwärtig ist, dies akzeptierend zu sich nimmt und sich nicht angestrengt bemüht, jemand anders zu sein. Diese Haltung gegenüber dem Prozeß der Veränderung ist ein Wesenselement der Gestalttherapie. Theoretisch formuliert wurde der ganzheitliche Veränderungsprozess von Frank Stämmler / Werner Bock. Deren Theorie liegt meinem Prozessverständnis in der Gestalttherapie zu Grunde. Werner Bock zählt zu meinen direkten Lehrern.